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Jüdische Ahnen: Ehepaar aus USA auf Spurensuche

Auf Spurensuche in Oberneisen waren (von links) Friedhelm Ott, Peter Pelk, Lea Adler, Pauline Funk und Lester Allen Adler. Foto: Rolf Kahl (Bild vergrößern)
Bild zur Meldung: Auf Spurensuche in Oberneisen waren (von links) Friedhelm Ott, Peter Pelk, Lea Adler, Pauline Funk und Lester Allen Adler. Foto: Rolf Kahl

Auf eine 14-tägige Reise von Arizona nach Deutschland begaben sich der US-Bürger Lester Allan Adler (71 Jahre) und seine Ehefrau Lea (61). Doch der Trip über den Atlantik war keine gewöhnliche Urlaubsreise. Zwar besuchte das Paar neben anderen Städte wie Hamburg, Berlin, Dresden, Nürnberg und Limburg. Doch Lester hatte ein Hauptziel: Oberneisen im Aartal und das aus einem einfach zu erklärenden Grund.

Mit großer Unterstützung seiner Frau Lea verfolgt der 1948 in Philadelphia geborene Lester Adler seit Jahren die Spur seiner Vorfahren zurück. Und die lebten in der Hauptstraße 14 – mitten in Oberneisen. Dorthin zog es jetzt auch das Paar aus Übersee.

Mit Hilfe von Ortsbürgermeister Peter Pelk, dem Nachbar zum Grundstück Hauptstraße 14, Friedhelm Ott, sowie Pauline Funk aus Oberneisen, die als Dolmetscherin fungierte, durchforstete die Runde jetzt die Ortschronik, ältere Aufzeichnungen und Fotos der Gemeinde, Zeitungsartikel sowie sonstige Überlieferungen aus den zurückliegenden zwei Jahrhunderten. Und insbesondere Lester erlebte dabei sehr emotionale Momente, als Friedhelm Ott erzählte, dass die Adlers im Dorf nur die „Anschels“ genannt wurden.

Dies war darauf zurückzuführen, dass einem gewissen Anselm (oder Anchel) Adler per Testament seines Adoptivvaters Samuel Mendel das Anwesen in der Hauptstraße zugesprochen wurde. Anselm, der in alten Wählerlisten als Kleinkrämer bezeichnet wird, zeugte in zweiter Ehe drei Söhne. Vom Ältesten, Isaak, lässt sich nichts mehr feststellen, der zweite, Bärmann, starb im Alter von neun Jahren. Nur Levy der Jüngste, Lesters Urgroßvater, setzte in Oberneisen die Familie fort. Er errichtete 1888 in der Hauptstraße 14 (direkt gegenüber des ehemaligen Rathauses) eine Schlachterei. Gemeinsam mit seinem Sohn Isaak gestaltete dieser Levy das Dorfleben von Oberneisen mit.

Levy gilt als Mitbegründer des Turnvereins. Außerdem ist er Gründungsmitglied des Männergesangvereins Eintracht. Levy und Isaak nahmen auch Veränderungen am Haus vor, richteten einen Kolonialwarenhandel und eine Metzgerei ein und entwickelten sich beständig geschäftlich weiter. Nach dem Tod von Isaak 1929 führte seine aus Wehen stammende Ehefrau Clothilde gemeinsam mit ihrem 1908 geborenen ältesten Sohn Arthur, der Vater von Lester, die Metzgerei und sie betrieben in Oberneisen und Umgebung einen regen Viehhandel.

Die harte Zeit für jüdische Mitbürger begann wie überall in Deutschland 1933 langsam und schleichend. Boykottaufrufe von Partei und Staat führten bei den Adlers in Oberneisen zur Geschäftsaufgabe im März 1937. Arthur Adler war noch bis 1938 als Knecht auf dem Hof Häusel bei Eppstein beschäftigt, bevor er in die USA auswanderte. Auch Mutter Clothilde meldete sich 1938 in Oberneisen polizeilich ab und ging in ihren Geburtsort nach Wehen zurück. Arthur starb 1981, Clothilde 1992. Vieles von dem, was Lester Adler in dem über zwei Stunden andauernden Besuch im Oberneisener Rathaus erstmals auch „schwarz auf weiß“ nachlesen konnte, wusste er schon.

„Mein Vater Arthur hat mir einiges erzählt, ich habe diese Erzählungen auf Band aufgenommen“, berichtete Lester. Auch war er schon immer im Besitz einiger Fotos aus der Oberneisener Zeit. „Vater konnte diese Fotos erfreulicherweise mit nach Amerika schleusen.“ Doch es gab aber auch einiges Neues, was ihm bislang nicht bekannt war. So übergab Pelk unter anderem eine Kopie eines Zeitungsartikels aus dem Jahre 2009, in dem von einem ähnlichen Informationsbesuch eines ihm bislang unbekannten in England lebenden Cousins berichtet wurde. Zu Tränen gerührt nahm er eine von diesem Cousin erstellte Familienchronik der Adlers, verfasst in englischer Sprache, sowie weitere ihm noch nicht bekannte Fotos seines Vaters und weiterer Familienangehöriger entgegen.

Eine besondere Freude bereitete ihm auch die Aushändigung eines Bildbandes von Oberneisen und er erzählte, dass er lange Jahre im Glauben gewesen sei, dass es den Geburtsort seines Vaters gar nicht mehr gäbe. Sehr emotional verlief auch der Abschluss des Besuchs, als Lester und Lea vor dem Anwesen in der Hauptstraße 14 unzählige Fotos schossen. „Da werde ich nach Rückkehr in die Staaten, meinem in Illinois lebenden Bruder unheimlich viel berichten können“ bedankte er sich bei Peter Pelk, Friedhelm Ott und Pauline Funk.

 

RZ Rhein-Lahn-Kreis (West) Bad Ems vom Montag, 5. August 2019, Rolf Kahl